Haferdrink aus dem Hunsrück
Johanna, Du bist 22 Jahre jung und hast Dich gegen ein Studium oder eine Ausbildung entschieden und stattdessen ein Start-up gegründet. Wie fühlt es sich für Dich an, nicht den Standardweg zu gehen, sondern genau das zu machen, worauf Du Lust hast?
Ich habe mal alibimäßig ein Studium begonnen. Aber eigentlich war mir schon direkt nach der Schule klar, dass ein Studium für mich nicht in Frage kommt. Ich habe zu viele unterschiedliche Interessen, als dass ich mich auf ein Fach festlegen wollte. Durch die Gründung unseres Start-ups kann ich allen Interessen nachgehen: sei es im Design-Bereich, im Marketing oder anderen Bereichen, die man für den Aufbau eines Start-ups braucht. Und es ist schon ein schönes Gefühl, morgens aufzuwachen und zu wissen: Ich kann mir meinen Tag selbst einteilen. Ich kann entscheiden, wann ich welche Termine mache und was Priorität hat.
Hast Du denn auch Grundsätze oder Ziele für Euer Start-up, die jeden Tag Priorität haben?
Uns sind ökologische und nachhaltige Ziele besonders wichtig. Dazu tragen wir mit unserem Unternehmen etwas bei. Wir machen einen Unterschied für Umwelt und Gesellschaft: ohne negative Einflüsse auf unsere Umwelt, das heißt, so zu leben, so zu wirtschaften, dass nachkommende Generationen auch noch ein lebenswertes Leben haben.
»Wir haben direkt von Beginn an versucht, ganzheitlich zu denken und vorzugehen.«
Was motiviert Euch als junge Unternehmerinnen zu diesen Zielen?
Allem voran die Klimakrise, aber auch die Biodiversitätskrise. Wir möchten mit unserem Startup zu einer nachhaltigeren und regionaleren Ausgestaltung unserer Lebensmittelindustrie beitragen. Bei der Produktion zum Beispiel möchten wir deshalb mit einem regionalen Produkt die Transportwege kurzhalten. Außerdem haben wir uns dafür entschieden, den Hafer von einer Bioland-Vermarktungsgemeinschaft zu beziehen. Bioland hält sich nämlich an strengere Richtlinien als die EU-Bio-Landwirtschaft und fördert bewusst die Biodiversität innerhalb der Landwirtschaft. Das Produkt Haferdrink an sich ist – was den CO2– und Wasser-Fußabdruck, aber auch den Flächenverbrauch angeht – eine nachhaltige Alternative zu Kuhmilch.
Ihr seht also die Krisen und versucht selbst, mit einem innovativen Produkt, aber auch mit der Produktion Lösungen zu schaffen. Von anderen Unternehmen hört man oft, ihnen seien in Bezug auf Umweltschutzfragen die Hände gebunden. Du sagst allerdings, es gehe euch primär um den Erhalt von Natur. Wie macht ihr das?
Das fängt mit der Produktidee an. Wir haben direkt von Beginn an versucht, ganzheitlich zu denken und vorzugehen. Dabei heißt ›ganzheitlich‹ für uns, nicht nur einen Teil der Strecke zu betrachten, wie zum Beispiel nur die Produktion. Es heißt für uns von A bis Z, vom regionalen Rohstoff-Einkauf über die Verpackung bis hin zum Vertrieb, Nachhaltigkeit umzusetzen.
Du hast gesagt, ihr versucht einen Unterschied für Umwelt und Gesellschaft zu machen. Inzwischen sehe ich aber in fast jedem Supermarkt Haferdrink im Regal stehen. Wo macht ihr den Unterschied?
Haferdrink an sich gibt es schon. Das Revolutionäre an vonhanni ist die Verpackung. Wir setzen auf Mehrwegglas, was viel Müll einspart und Tetra Paks® vermeidet, die wirklich umweltschädlich sind. Wir verwenden Mehrweg-Glasflaschen, die man bis zu 50mal wieder befüllen kann. Wenn sie dann recycelt werden, werden sie wieder zu einer neuen Flasche geschmolzen. Beim Tetra Pak® sieht das nicht so gut aus. Es wird zwar regelmäßig behauptet, sie würden recycelt, aber in Wirklichkeit werden nur ein Drittel der Tetra Paks® recycelt. In diese Recycling-Quote fällt aber auch die Verbrennung! Meine Definition von Recycling würde die Verbrennung nicht mit einbeziehen. Danach bliebe beim Tetra Pak® allerdings nicht mehr viel übrig, was recycelt wird.
»Unser Produkt ist ein für Mensch und Natur fair produzierter, regionaler Haferdrink in der Mehrweg-Glasflasche.«
Nun haben wir schon Einiges über Eure Beweggründe und Herangehensweise erfahren. Lass uns noch einmal zusammenfassend klären, was ihr genau macht, wer an vonhanni beteiligt ist und wo ihr aktuell innerhalb des Gründungsprozesses steht.
Meine Schwester Maria und ich haben vor zwei Jahren das Start-up vonhanni gegründet. Wir wurden von Anfang an in unternehmerischen und rechtlichen Fragen von unserem Vater unterstützt. Unser Produkt ist ein für Mensch und Natur fair produzierter, regionaler Haferdrink in der Mehrweg-Glasflasche. Genau heute sind wir mit unserem Crowdfunding fertig geworden. Wir haben das Ziel erreicht und schließen damit die Kampagne. Das ist ein großer Erfolg! Damit finanzieren wir jetzt die erste Produktion. Wir haben jetzt einen Zwischenschritt eingelegt, das heißt, wir lassen die ersten Chargen noch von einem externen Hersteller produzieren. Wir arbeiten also zurzeit parallel daran, das Produkt diesen Sommer auf den Markt zu bringen sowie an der Finanzierung und der Planung unserer eigenen Produktionsanlage. Die steht hoffentlich im Frühjahr nächsten Jahres, sodass wir ab diesem Zeitpunkt die Produktion selbst übernehmen können.
Und wieviel wird eine Flasche vonhanni-Haferdrink am Schluss kosten?
Die wird 2,50 Euro als unverbindlicher Verkaufspreis kosten.
Das ist viel Geld …
Das stimmt. Der Preis entsteht zuerst vorrangig aus den Rohstoff- und den Produktionskosten. Der hohe Preis entsteht einmal durch die Verwendung von qualitativ hochwertigem Bioland Hafer sowie die zu Beginn geringen Produktionsmengen an Haferdrink und allem voran die Verwendung der Mehrweg-Glasflasche. Allerdings kommen dann auch noch 19 Prozent Mehrwertsteuer darauf. Auf die sogenannten Grundnahrungsmittel, wie Butter und Kuhmilch, wird ein ermäßigter Steuersatz von 7 Prozent erhoben. Wenn man die entstehenden Folgekosten, also die Belastungen für die Umwelt, mit einberechnen würde, müsste es die Steuererleichterung eher andersherum geben, nämlich für die pflanzlichen Milchalternativen wie Haferdrink. Deshalb ist unser Ziel, langfristig die Produktionsanlage auszulasten und auf lange Sicht auch Unterstützung durch die Politik in Form einer Steuererleichterung zu bekommen.
»Neben Transparenz und Aufklärung ist uns Kooperation ein besonderes Anliegen.«
Auf welche Werte setzt ihr neben Euren ökologisch-nachhaltigen Zielen?
Einmal ist uns Transparenz wichtig. Das heißt, wir möchten nichts verbergen, sondern sogar im Gegenteil durch Einblicke in unser Vorgehen inspirieren und zeigen, wie es anders gehen kann – für Konsument:innen und Unternehmer:innen gleichermaßen. Deshalb setzen wir auch auf Aufklärung: Das machen wir zum einen über Social Media, zum anderen aber auch auf unterschiedlichen Wegen offline. Dabei geht es um die positiven Klimaauswirkungen von Haferdrink im Vergleich zu Kuhmilch, aber auch darum, was man selbst für das Klima tun kann. Neben Transparenz und Aufklärung ist uns Kooperation ein besonderes Anliegen. Wertvolle Unterstützung bekommen wir beispielsweise durch den Unverpackt Laden in Kastellaun. Innerhalb des Crowdfundings konnten dort Haferdrinks als Dankeschön für die Beteiligung abgeholt werden. Wir stehen aber auch mit anderen Start-ups in wechselseitiger Unterstützung und kooperieren mit unseren Partner-Bauern. Innerhalb der Vermarktungsgesellschaft für Bioland Getreide, mit der wir zusammenarbeiten, stehen wir mit zwei Personen in engem Kontakt, die uns bei Fragen, zum Beispiel zum Vertrieb, tatkräftig zur Seite stehen. Die Vermarktungsgesellschaft selbst zählt zu unseren wichtigsten Unterstützer:innen. Sie garantiert aber auch den Landwirt:innen faire Preise. Dadurch sind diese besser abgesichert und können einfacher planen. Das ist aufgrund der stark schwankenden Getreidepreise besonders wichtig.
»Wir versuchen unsere Haltung hinter dem Produkt sichtbar zu machen, und es ist mir wichtig, dass man uns als Produzent:innen kennt.«
Ihr schreibt Euch Nachhaltigkeit, Gesellschaftsgestaltung und Kooperation auf die Fahne. Gibt es auch eine Kehrseite? Siehst Du etwa vonhanni durch Konkurrenz gefährdet?
Es gibt da einige sehr große Hafermilchhersteller. Da ist zum Beispiel Oatly und dann einige, die zur MONA Naturprodukte GmbH gehören und ihren Mutterkonzern in den USA haben. Da ist viel Kapital im Hintergrund. Wenn die jetzt sagen würden: »Okay, wir bringen auch einen Haferdrink in Glasflaschen auf den Markt«, oder wenn wir denen ein Dorn im Auge wären – wenn sie also wirklich Interesse daran hätten, uns vom Markt zu verdrängen – dann könnten sie das schon schaffen. Ich denke, man muss vorausschauend handeln, in Krisen reaktionsfähig sein. Ansonsten bin ich Optimistin und konzentriere mich zum Beispiel auf unsere Alleinstellungsmerkmale, nämlich Regionalität, die Glasflasche und auch die Transparenz. Wir versuchen unsere Haltung hinter dem Produkt sichtbar zu machen, und es ist mir wichtig, dass man uns als Produzent:innen kennt. Ich denke, das wird wertgeschätzt und so können wir am besten bestehen.
»Gerade im Kontakt mit der Bank machen die meisten jungen Frauen sonst eigentlich eher die Erfahrung, nicht ernstgenommen zu werden.«
Die Start-up Szene ist ein männerdominiertes Feld. Ihr seid jung und weiblich. Welche Erfahrung habt ihr im Hinblick auf Gendergerechtigkeit bisher gemacht?
Wir selbst haben in Bezug auf das Thema bisher hauptsächlich positive Erfahrungen gemacht. Das fiel uns besonders im Kontakt mit einem Ingenieur, der uns beraten hat, und mit unserem selbst noch recht jungen Banker auf. Beide waren wirklich nett und ausgesprochen unterstützend. Gerade im Kontakt mit der Bank machen die meisten jungen Frauen sonst eigentlich eher die Erfahrung, nicht ernstgenommen zu werden. Da hatten wir Glück! Einmal hatten wir allerdings ein Gespräch mit einem Investor, der uns sagte, dass er uns das nicht zutraut. Das bezog er auf den Bau einer eigenen Produktionsanlage und das damit einhergehende Risiko. Er meinte außerdem, dass wir langfristig keinen Erfolg mit der Glasflasche haben werden. Da er selbst aus der Getränkebranche kam, also Erfahrung mitbrachte, war das zunächst sehr ernüchternd für uns. Bestimmt war der Ratschlag irgendwo auch gutgemeint. Ich kann gar nicht sagen, ob er uns nicht ernst genommen hat, weil wir jung und unerfahren oder weiblich sind.
»Wir zählen uns ganz klar zu den Zebras.«
Du kennst sicherlich den Ausspruch: »Auf einem Planeten mit endlichen Ressourcen kann es kein grenzenloses Wachstum geben« – Setzt ihr Euch für vonhanni Grenzen?
Ja, wir haben uns zum Beispiel vorerst bei der Vertriebsregion Grenzen gesetzt. Wir möchten dafür maximal in einem Radius von ungefähr 300 Kilometern vertreiben, weil das laut einer Studie die Entfernung ist, innerhalb derer die Mehrweg-Glasflasche die ökologisch sinnvollste Verpackung ist. Das wären dann Rheinland-Pfalz und die umliegenden Bundesländer, und darauf fokussieren wir uns. Außerdem ist unser Geschäftsmodell nicht darauf ausgelegt, möglichst schnell zu skalieren und einen Exit zu machen, wie es die klassischen Einhörner tun, sondern wir wollen nachhaltig wachsen und das Ganze kooperativ und gemeinschaftlich aufbauen und dabei die Gesellschaft gestalten.
Einhörner?
Damit sind Start-ups gemeint, die vor einem Börsengang oder Exit eine Marktbewertung von mindestens einer Milliarde US-Dollar haben. Denen geht es hauptsächlich darum, möglichst viel Gewinn aus dem Unternehmen zu ziehen. Die Gegenbewegung nennt sich die »Zebra-Start-ups«. Sie möchten lieber nur dort wachsen, wo es gebraucht wird, also organisch wachsen, und sie denken langfristig. Außerdem orientieren sie sich eher an sozial-ökologischen Zielen und einem Win-win-Gedanken. Wir zählen uns ganz klar zu den »Zebras«.
Vielen Dank, Johanna, für das spannende Gespräch und den Blick hinter die Kulissen. Ich wünsche Euch alles Gute und bin gespannt darauf, Euren Haferdrink bald im Laden zu entdecken!