Drei Fragen an Sebastian Möller
Organisationen müssen sich angesichts vielfältiger Krisen rasch und gründlich wandeln. Doch wie gelingt das unter hohem Zeit- und Handlungsdruck? Das Buch Organisationen hacken schlägt eine neue Perspektive vor. In der Serie »Drei Fragen an ...« reden wir mit den Autor:innen.
Was gefällt dir an dem Buch, Sebastian?
In meinem Arbeitszimmer hängt folgendes gerahmte Zitat der wunderbaren Astrid Lindgren: »Freiheit bedeutet, dass man nicht unbedingt alles so machen muss wie andere Menschen.« Von dieser Freiheit handelt Organisationen hacken, und diese Freiheit haben wir uns beim Machen des Buches auch selbst genommen: Es ist selbst ein Hack. Wir hacken das akademische Publizieren, da wir mit Konventionen und Erwartungen brechen, um einen frischen Blick auf die Veränderbarkeit unserer Arbeitswelt zu werfen und um eine breitere Zugänglichkeit unserer Forschungsergebnisse zu ermöglichen. Das Buch soll für Menschen aus unterschiedlichen Milieus und mit unterschiedlichen Erfahrungshintergründen lesbar und fruchtbar sein. Darauf haben wir es zumindest gezielt angelegt und das ist aus meiner Sicht eine besondere Stärke des Bandes. Der persönliche Zugang zur Transformation, der unsere Gespräche prägt, ist hierfür ein wichtiger Schlüssel. Die subjektiven Gestaltungserfahrungen, die wir sichtbar machen und dabei umarmen, bieten an vielen Stellen Anknüpfungspunkte für verschiedene Leser:innen und generieren wertvolles Handlungswissen. Auf diese Weise möchten wir auch dazu beitragen, die immer noch recht hartnäckige Trennung von akademischem Wissen und Praxiswissen in transdisziplinärer Forschung abzubauen. Organisationen hacken ist ein Buch, das zum Schmunzeln einlädt, gerade weil es anders und unkonventionell ist. Im Entstehungsprozess des Buches wurde auf jeden Fall häufig gelacht und ich wünsche euch beim Lesen deutlich mehr als ein müdes Lächeln. Schließlich sollten wir die transformative Kraft von Humor nie unterschätzen! Bei dem, was wir in unseren Gesprächen als institutional hacking herausarbeiten, musste ich häufig an Lindgrens Kinderbuch-Figur Michel aus Lönneberga denken, der mit seinem schelmischen Treiben ja auch viele Konventionen bricht und Regeln dehnt – ein wahrer Alltagsrebell. Michel bringt die Welt in Ordnung war das erste Buch, das ich gelesen habe. Der Titel ist aufschlussreich und paradox zugleich: Um die Welt besser zu machen, sie also »in Ordnung« zu bringen, muss er die bestehende Ordnung zumindest punktuell außer Kraft setzen oder gar auf den Kopf stellen. Es gefällt mir wirklich sehr gut, dass es im ersten Buch, das ich mitherausgeben darf, genau darum geht. Ein weiteres Highlight sind die wunderbaren Illustrationen von Anne-Ly, in denen das Hacken oft verdichtet auf den Punkt gebracht wird und die eine weitere Wahrnehmungsebene aktivieren. Ich bin ein sehr visueller Mensch und freue mich immer über bildliche Darstellungen. Sie helfen mir, einen Gedanken klarer zu fassen und sie machen Spaß. Das Nachdenken über die Visualisierung der Hacks war tatsächlich auch ein wichtiger Bestandteil unseres gemeinsamen Erkenntnisprozesses.
Was hast du beim Schreiben gelernt?
Ich kann mich nicht erinnern, jemals so viel Neues und vor allem so viel Unerwartetes bei einem Publikationsprozess gelernt zu haben. Ich bin mit echter empirischer Neugier und aufrichtigem Interesse in die Gespräche gegangen und habe unfassbar viel zurückbekommen. Natürlich habe ich zunächst viel auf der methodischen Ebene gelernt: Jedes Gespräch läuft anders. Man muss sich immer wieder auf das Gegenüber einlassen. Wie ein Gespräch läuft, hängt auch immer davon ab, was die Gesprächspartner:innen gerade sonst noch so auf dem Zettel haben und wie sie sich fühlen. Das ist kein Problem, sondern eine Tatsache, die es zu umarmen gilt (ja, ich benutze schon wieder dieses merkwürdige Wort, weil ich keine bessere Entsprechung für to embrace finde). Gutes Zuhören und (Nach)Fragen ist eine wirklich wertvolle Fähigkeit, die wir alle gebrauchen können und die wir alle immer wieder aufs Neue lernen können und sollten. Auf der inhaltlichen Ebene habe ich sehr viel über die verborgenen Gestaltungsspielräume in Organisationen gelernt. Wenn man einmal anfängt, bestehende Konventionen und Normen zu hinterfragen und sie im konkreten Handeln auszuhebeln, wird plötzlich viel mehr möglich, als wir uns zuvor noch vorstellen konnten. Aktives Tun und Imagination können sich wechselseitig bestärken – und zwar in beide Richtungen! Ich habe gelernt, welche Kraft in der Reflexion der eigenen Organisationsgestaltung liegen kann und dass oft schon alle Ressourcen für eine nachhaltigere Organisation im Bestehenden vorhanden sind. Das ist doch eine wunderbare Nachricht! Ich habe auch gelernt, dass Transformation eine Gemeinschaftsaufgabe ist. Unsere Gespräche sind keine Held:innen-Erzählungen. Sie berichten davon, was alles möglich wird, wenn wir uns zusammentun und Dinge gemeinsam anders machen.
Was hackst du als nächstes?
Gute Frage! In meinem aktuellen Projekt an der Leuphana Universität beschäftige ich mich mit der Rolle von Kommunalverwaltungen beim klimaresilienten Umbau unserer Städte und Gemeinden. Ich wünsche mir eine größere transformative Kraft in den Rathäusern und Landratsämtern. Zugleich sind Verwaltungen per definitionem aber die Hüter:innen von Ordnung und Regeln. Vor diesem Hintergrund möchte ich der Frage nachgehen, was institutional hacking in diesem Kontext bedeuten und bewirken kann. Hat jemand Lust mitzumachen?